ES LEBE DAS ZENTRALDEPOT!
Jahr: 2022
Ort: Wien, 1210
Status: Wettbewerb, Gemeinsam mit LOCI ZT GmbH.
Alle Beiträge sind hier einzusehen.
ARCHITEKTONISCHE ASPEKTE – EIN WISSENSSPEICHER
Ein Bücherdepot ist – analog zu einem ländlichen Getreidespeicher – ein Wissensspeicher. Das urbane
Pendant zu den Schüttkästen in der Landschaft um Wien, welche allein durch ihre Unmaßstäblichkeit
und Größe zu Landmarks werden. Ähnlich wie diese archaischen Objekte am Land wird auch das neue
Bücherdepot ob seiner schieren Masse zu einem solchen Landmark. Das Volumen erstreckt sich über die Grundstücksbreite und teilt das Grundstück in Vorder- und Rückseite, vorne orientiert zum Gewerbegebiet, hinten zu einem Garten und präsentiert sich dort den vorbeifahrenden Zügen. Anders als beim autonomen Schüttkasten gibt es beim Bücherdepot jedoch klare Bezüge zu den Institutionen, welche darin ihr Wissen speichern. Die Ansichten und deren Gliederung nehmen daher abstrakt auf die teilweise historischen Gebäude der Nutzer:innen bezug.
STÄDTEBAULICHE ASPEKTE - EIN QUARTIERSENTWICKLER
Der Baukörper bildet einen Schlussstein des im Aufbau befindlichen Gewerbe- und Industriegebiet aus.
Während das quaderförmige Volumen schützend zur nördlichen Gleisanlage abgrenzt, eröffnet es
städtebauliches Entwicklungspotential in Richtung des südlichen Quartiers. Es rückt nah genug an die
südliche Grundstücksgrenze für eine großzügige Erweiterungsfläche im Norden, lässt aber genug Raum
für die Entstehung eines Platzes vor der Südfassade. Das Dachgeschoss markiert den Quartiersplatz und bildet einen markanten Hochturm an einem zukünftig möglichen Platz aus - jedwede Entwicklung des südlich liegenden Bauplatzes wird sich am Volumen des Bücherdepots orientieren. Nördlich des Baukörpers entsteht Raum für zukünftige Erweiterungen des Depots, bis dahin bietet renaturierte Grünfläche naturnahen Lebensraum für Flora und Fauna - es entsteht ein Biotop im Gewerbegebiet.
ARCHITEKTONISCHE ASPEKTE – EIN RECYCELTES FEDERKLEID
Wie die Schüttkästen erhält das Bücherdepot eine abstrakte Hülle, die wenig Bezug auf das Innere oder
die Geschossigkeit nimmt. Der Baukörper soll in der Fernwirkung von der S-Bahn in seiner
Maßstäblichkeit schwer zu fassen sein, auffallen und beobachtende Augen beschäftigen. Die
Außenhaut legt sich wie ein Federkleid über den Baukörper. Ein Federkleid aus recyceltem Material - in unterschiedlichen Maßstäben. Größe, Struktur und Oberfläche werden als ästhetische Randbedingungen komponiert. Die endgültige Materialisierung orientiert sich jedoch an den zum Planungs-Zeitpunkt verfügbaren Angebot, eventuell auch an vorhandenen Materialien anderer Projekte der BIG. Da Dachdeckungen den Umwelteinflüssen in der Regel stärker ausgesetzt sind, bieten diese sich ideal als Rohstoff für die neue Fassade an. Nach vorangegangener Analyse der Gebäuder der Nutzer:innen spannt eine horizontale Gliederung Bänder auf, die von Lisenen in Felder geteilt werden. Diese Felder verändern ihre Dimension und ihre Maßstäblichkeit - vertikal gliedern sie sich in kleinmaßstäbliche Felder im menschlichen Maßstab bishin
zu großflächigen, scheibenartigen Feldern am oberen Ende der Fassaden. Die unterschiedlichen Größen lassen unterschiedliche Maßstäbe und Dimensionen an Materialität unterbringen. Analog zur übergeordneten Betrachtungsebene changieren die benutzten Fassadenmaterialien zwischen feingliedriger Schindelmembran und plattenartiger Schutzschicht. Diese Teilung ermöglicht auch einen flexiblen Umgang mit Fugenmaßen und Überlappung, um den verschiedenen recycelten Materialien adäquat zu begegnen.
FUNKTIONALE ASPEKTE – EINE ZENTRALE LÖSUNG
Funktional gliedert sich das Gebäude in drei Teile - ein ebenerdiges Anliefer- und Sortiergeschoss, vier
Archiv-Geschosse im ersten bis fünften Stock und Büronutzungen im aufgesetzten, obersten
Turm-Geschoss. Die Anlieferung wird als zentrale Funktion des Büchertransports auch in der Hauptfassade zentral inszeniert. Die ausreichend belichteten Sortierräume werden durchschritten und bieten Einblick in die
Arbeitsabläufe. Die einzig weitere, in der Fassade erkennbare Fensteröffnung markiert den einzig
öffentlich zugänglichen Raum - den Leseraum im Turmgeschoss. Sämtliche Geschosse werden über ein
zentrales Stiegenhaus mit Doppellift erschlossen. Die Depotflächen sitzen als viergeschossiger Kubus auf dem funktionalen Erdgeschoss. Büros, Aufenthaltsräume und der erwähnte Leseraum sitzen als Hochpunkt am Kubus. Sie erschließen den Dachgarten, der großzügige Blicke über Quartier, Bezirk und Stadt öffnet und von einer bienengerechten Dachlandschaft träumen lässt.
FUNKTIONALE ASPEKTE - WISSEN IN SERIE
Die kompakte Form und effiziente Anordnung am Bauplatz lassen den Baukörper in derselben Logik
nach Norden erweitern. Auch die auf den Baukörper aufgesetzten Bürofunktionen können auf etwaigen
Erweiterungen fortgesetzt werden. Das Bücherdepot ist eine Batterie, die seriell erweiterbar ist – um bis
zu 184% seines jetzigen Volumens.
UMWELT UND NACHHALTIGKEIT - NACHHALTIG BEREICHERT
Energieaufwand – sowohl zur Herstellung als auch im Betrieb – und Ressourcenverbrauch senken. Das
sind die beiden zentralen Themenbereiche, die für ein ökologischeres Bauwesen bearbeitet werden
müssen. Das neue Bücherdepot setzt auf einen zeit- und klimagerechter Umgang mit Umwelt, Material
und Energie. Wir reduzieren den Beton verbrauch auf ein Minimum und planen in Massivholz. Um
Verfügbarkeitsproblemen sowie der Verknappung von Rohstoffen zu begegnen, sehen wir das Archiv
als rohes, einfaches Lager und verzichten in den Lagergeschossen auf Fußbodenaufbauten. Um auch
bei der Fassade zu sparen, bereichern wir uns an anderen Baustellen und Umbauprojekten, vornehmlich der BIG und recyceln dort Materialien, um sie für unsere Fassade zu verwenden. Dabei achten wir auf eine reversible Konstruktionsweise – möglichst ohne Verklebungen & Verbunde. Diese Trennbarkeit ist elementar, um ggf. in Zukunft ebenso als Urbane Mine zur Weiterverwertung & Wiederverwendung zur Verfügung stehen zu können – design for disassembly.
WIRTSCHAFTLICHKEIT IM LEBENSZYKLUS
Durch diese radikal suffiziente und reduzierte Architektur werden nicht nur CO2 und Material, sondern
auch Kosten gespart. Selbst die Wiederverwertung von Fassadenmaterialien ist laut Fallbeispielen (z.B.
Fallstudie K.118, Winterthurer Lagerplatz) zumindest kostenneutral, teils sogar billiger. Aufbauten reduzieren bedeutet Kosten reduzieren. Tragende Bauteile sowie Fassadenelemente reversibel sowie mit ökologisch nachhaltigen Dämmstoffen zu planen erspart spätere Entsorgungsproblematik eines konventionellen Massivbaus. Die Möglichkeit zur Vorfertigung des Holzbaus spart zudem Bauzeit und minimiert durch die präzisere und vorgezogene Ausführungsplanung unkalkulierbare Ereignisse in der Ausführungsphase.